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Foucaultpendel - 13 -

 

aus "ASTRONOMIE + RAUMFAHRT 39 '(2002) 5"

Ein Foucault-Pendel für die Schule

von Roland Szostak

Das Foucault-Pendel gehört immer wieder zu den Versuchen, die auch bei denen, die sich nicht mit Naturwissenschaften beschäftigen, eine gewisser Aufmerksamkeit wecken und interessierte Fragen entstehen lassen. Ein solches Experiment bietet sich für die Schule, z.B. an einem Tag der offenen Tür, als Basis für ein Gesprächsforum über den Wert und die Notwendigkeit naturwissenschaftlichen Unterrichts an. Dabei wird auch der Stellenwert der Astronomie erkennbar.

Ein anschauliches Experiment

Das Foucault-Pendel führt die Erdrotation in sehr anschaulicher und verständlicher Weise vor Augen. Viele Betrachter werden dabei zum Nachdenken angeregt und kommen mit interessanten, anspruchsvollen Fragen. Denn ganz so einfach ist das Hineindenken in verschiedene Anteile der Drehbewegungen nicht. Mit diesen Reaktionen erfüllt ein solches Experiment also alle Merkmale, anregend zu wirken und als interessant registriert zu werden.
Kulturgeschichtlich kommt ihm ebenfalls ein hoher Rang zu. Denn trotz der schon lange glänzend bestätigten newtonschen Mechanik und der 1837 von Bessel nachgewiesenen Fixsternparallaxe bewirkte erst das foucaultsche Experiment 1851 die volle Anerkennung der Erdrotation in der Öffentlichkeit und damit die endgültige Bestätigung des kopernikanischen Systems [1].

Der Pendelversuch in der Schule in bisheriger Form

Es besteht die berechtigte Ansicht, dass man für ein Foucault-Pendel eine hohe Aufhängung braucht, also z. B. ein Treppenhaus oder einen hallenartigen Bereich. Eine solche Aufhängung ist mit beträchtlichem Aufwand und nicht unerheblichen Gefahren bei der Montage in großer Höhe verbunden. Deshalb stößt die Durchführung auf entsprechende Hürden.
Die für Klassenraumhöhe geeigneten verfügbaren Foucault-Pendel schwingen nur für relativ kurze Zeit. Ihre Schwingungsenergie ist bei fehlendem Antrieb schnell aufgebraucht. Deswegen wertet man dann die Drehung der Schwingungsebene möglichst schnell aus, indem man z. B. die Pendelschnur vergrößert an die Wand projiziert und deren Wanderung ausmisst. Diese schöne Versuchsdurchführung eignet sich jedoch nicht so sehr für die angestrebte Präsentation, weil sie labororientiert ist und eine rechnerische Auswertung braucht.

Das angetriebene Pendel

Für unseren Zweck brauchen wir ein angetriebenes Pendel. Daran jedoch herrscht im Lehrmittelangebot Mangel. Ein Pendel, das weitgehend mit eigenem Zutun aus einem Selbstbausatz entsteht, hat indessen den Vorteil, dass es von den Schülern als das eigene betrachtet und als solches auch gehütet wird. Bild l zeigt ein solches Pendel, das, in der Eingangshalle einer Schule sehr schön installiert, schon seit Jahren zufrieden stellend seinen Dienst versieht und für die Schüler bereits zum Alltag gehört. In dieser schülerfreundlichen Gestaltung nehmen wir als Pendelmasse eine 20 cm große glänzende Weihnachtsbaumkugel, die mit Sand gefüllt wird. Für den Antrieb befindet sich am unteren Ende der Kugel ein zylinderförmiger Magnet. Dieser schwingt über eine Spule hinweg, die unter dem Pendel auf dem Boden liegt und sich bei jedem Durchgang getaktet einschaltet. Die Elektronik für diese Taktung ist in dem Selbstbausatz fertig enthalten.

Besonderheiten des kurzen Pendels

Ein Pendel, das an der Decke eines normalen Klassenzimmers aufgehängt wird,kann als ein kurzes Pendel gelten, bei dem man zur Vermeidung fehlerhaften Laufs besondere Maßnahmen ergreifen muss. Denn je kürzer ein Pendel, desto mehr neigt es dazu, aus einer ebenen Schwingung in eine elliptische zu verfallen. Die Bewegung besteht dann aus zwei senkrecht zueinander stehenden Schwingungen mit einer Phasenverschiebung von 90°. Diese sind miteinander gekoppelt, weil sich die Bewegung der Pendelmasse auf einer Kugelfläche vollzieht. Die Kopplung ist umso stärker, je größer die Krümmung der Kugelfläche ist. Kurze Pendel neigen also dazu, diese elliptische Bewegung schneller zu entwickeln. Dieses Verhalten ist zunächst deswegen unerwünscht, weil die Beobachtung der Erdrotation eine sauber ausgebildete Schwingungsebene voraussetzt.

Es kommt aber hinzu, dass eine solche elliptische Bewegung eine eigene Artefaktdrehung der Ellipsenachsen erzeugt, und zwar unabhängig von der Erdrotation [1]. Aus kleinen Störungen heraus kann sich die elliptische Bewegung links herum oder rechts herum entwickeln und sich der Erdrotation entweder verstärkend oder verringernd überlagern. Im ungünstigen Fall kann sogar eine Gesamtdrehung mit falschem Vorzeichen herauskommen. Das ist die leidige Erfahrung mancher Pendelbauer.

Diese inhärente Eigenschaft muss durch Gegenmaßnahmen bekämpft werden. In besonders einfacher Weise geschieht das durch einen Charron-Ring [2]. Dabei läuft das Pendelseil durch eine kreisförmige Öffnung, die so dimensioniert ist, dass das Seil im Bereich seiner maximalen Auslenkung jeweils anschlägt und die unerwünschte Komponente durch Reibung laufend vernichtet wird. Der Charron-Ring wird zweckmäßigerweise etwa in 10 % der Pendellänge unter dem Aufhängepunkt angebracht. Den Charron-Ring realisieren wir auf besonders billige und auch schülergerechte Weise mit einem Wassereimer, in dessen Boden eine runde Öffnung für das Seil geschnitten wird. Der Eimer wird an der Zimmerdecke befestigt. Bei einer Deckenhöhe von etwa 3 m ist er mit einer gängigen Höhe von etwa 30 cm gerade richtig dimensioniert.

Die Installation unseres Schulpendels

Um den Eimer möglichst einfach an der Decke befestigen zu können, schrauben wir ihn zuvor an eine kleine Holzplatte, die sich ihrerseits leichter mit Schrauben oder Klemmen an der Decke befestigen lässt [3]. Durch eine Bohrung in dem Brett, die sich genau senkrecht über der Charron-Öffnung befindet, wird das Pendelseil zuvor hindurchgefädelt. Die Pendelkugel sollte zunächst noch leer sein.

Die Höheneinstellung der Pendelkugel kann im Prinzip durch einen Knoten in dem Seil über dem Brett geschehen. Einfacher ist es, das Seil ohne Knoten über das Brett oben herauszuführen und z. B. an einem Haken an der Wand zu befestigen. Die endgültige Höhenjustierung muss schließlich bei gefüllter Kugel vorgenommen werden. Der Magnet sollte dann etwa l bis 2 cm über der Spule hängen. Das ist eine bequeme Toleranz. Als Seil dient ein spezielles Aramidseil, das praktisch keine Dehnung aufweist.

Der Antrieb

Innerhalb der Spule befindet sich als Sensor ein Reedkontakt, der auf den Magneten an der schwingenden Pendelkugel anspricht. Er schaltet den Spulenstrom über ein Relais für etwa 0,3 s ein. Das reicht aus, um dem Pendel jeweils einen Schubs zu geben, bis es den Bereich des Spulenfeldes verlassen hat. Diese gesamte Schaltung ist innerhalb der Spule untergebracht, so dass man sich um nichts weiter kümmern muss, als die Spule an 12 Volt anzuschließen.

Vor dem Einschalten der Spule muss sie allerdings sorgfältig mittig unter der ruhenden Pendelkugel positioniert werden. Diese Sorgfalt ist wichtig, weil die Drehung der Pendelebene sehr empfindlich von allen Unsymmetrien um die vertikale Achse abhängt. Sonst erhält man ein ungleichmäßiges Fortschreiten der Pendelebene im Laufe des Tages. Das Ingangsetzen wird bei den üblichen Pendeln mit dem Ritual des Faden-durchbrennens vorgenommen, um die unerwünschte Querkomponente zu vermeiden. Infolge des Charron-Ringes ist das bei unserem Pendel nicht kritisch. Es reicht aus, die Kugel von Hand auf die gewünschte Amplitude auszulenken und möglichst ruhig aus der Hand gleiten zu lassen. Die elliptische Bewegung, die dabei vielleicht anfangs existiert, beruhigt sich automatisch.

Wenn die Kugel zittert

Man wird überrascht sein, wie viele Freiheitsgrade eine solche Kugel hat. Ich möchte das an einer Besonderheit schildern, die noch nirgendwo beschrieben wurde: Es kann passieren, dass das Pendelseil ein stoßweises Zittern aufweist. Im Extremfall kann das sogar mit einer periodischen Zitterbewegung der Kugel innerhalb der Schwingungsebene einhergehen. Zunächst drängt sich der Verdacht auf, dass dies von den Stößen des Spulenantriebs herrührt. Bei Ausschalten der Spule zeigt sich jedoch, dass dies nicht so ist. Vielmehr wird diese Zitterbewegung durch das Anstoßen an den Charron-Ring erzeugt. Es handelt sich hierbei um eine schnelle Drehschwingung der Kugel, und zwar um eine Achse durch die Kugel, die senkrecht auf der Schwingungsebene steht. Normalerweise ist diese Schwingung so gering ausgeprägt, dass man sie nicht wahrnimmt. Wenn aber der Takt am Charron-Ring mit einem Vielfachen der Schwingungsdauer dieser Bewegung zufällig übereinstimmt, gerät sie in Resonanz.

Was kann man da machen? Die Taktfrequenz ändern hieße, die Pendellänge ändern. Das aber geht bei ausgewählter Aufhängung in der Regel nicht. Also die Frequenz der Drehschwingung ändern, und zwar über das Trägheitsmoment der Kugel: Etwas Sand aus der Kugel ablassen, dann ist die Zitterbewegung verschwunden. Man kann also auch an einem solchen Phänomen noch überraschende Zusammenhänge studieren.

Beobachtung der Drehung der Pendelebene

Das Fortschreiten der Pendelebene lässt sich bequem und augenfällig mit Leuchtdioden verfolgen, über die die Pendelkugel hinwegschwingt. Die Einschaltung der Leuchtdioden erfolgt in unserem Fall durch Reedkontakte.

Es ist gestalterisch sehr hilfreich, das Pendel über einer kreisrunden Fläche schwingen zu lassen. Man kann dafür eine runde Platte nehmen oder ein rundes Stück Filztuch. Dies vermittelt dem Auge, in welchem Bereich sich die Pendelbewegung mit ihrer Drehung abspielt. Es ist auch hilfreich dafür, dass niemand in den Bereich des Pendels hineinläuft. Darüber hinaus werden auch die Schüler ihr Pendel, das sie selbst aufgebaut haben, zu schützen wissen. Sie sind auch hoch motiviert, es den Besuchern zu erklären.

Beschaffung

Wer ein solches Pendel aufbauen will, wende sich an den Autor. Alle Komponenten sind so gestaltet, dass sie mit einem für den Lehrer minimalen Zeitaufwand aufgebaut werden können.

Literatur:
[l] Szostak, R.: Ein permanent schwingendes Foucault-Pendelfür Schulen. In: MNU 55/2, S.74

[2] Charrow, F.: Surun perfectionnement du pendule de Foucault et sur l'entretien des oscillations. In: Astronomie (Bull. Soc. Astron. Fr.) 45 (1931) 457.

[3] Vom Zentrum Wissenschaft und Praxis, Abt. AV-Medien der Universität Münster wurde ein Film über die Installation des Pendels hergestellt.

Anschrift des Autors:

Prof. Dr. Roland Szostak Am Roggenkamp 23 48165 Münster (0 25 01) 71 76

 

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